BIG25: Vom Franzosenlauf zum Hauptstadtklassiker mit Weltformat

30 Jahre Langstreckengeschichte mit insgesamt 750 Laufkilometern hat der einstige Franzosenlauf '25 km de Berlin" nun schon auf dem Buckel. Doch auch bei der 30. Auflage stellte der Hauptstadtklassiker brillant unter Beweis, dass das Event noch lange kein Oldie ist. So glänzte das Jubiläumsrennen gleich mit zwei brandheißen Kenia-Weltrekorden: Bei den Männern blieb Samuel Kosgei erstmals unter 1:12 h und siegte in 1:11:50 h, während Mary Keitany zu 1:19,53 h stürmte und als erste Frau der Welt die 1:20 Stunden-Schallmauer durchstieß. Nicht nur seit Usain Bold's WM-2009-Fabelweltrekord über 100 Meter ist Berlin die wohl die schnellste Stadt der Welt. Auch in anderen Leichtathletik-Disziplinen - genauer gesagt im Langstreckenlauf - kann die deutsche Hauptstadt weltweit punkten. Und dies spätestens seit 2008, als der äthiopier Haile Gebrselassi bei seinem grandiosen Marathonsieg den weiterhin unangefochtenen Superrekord über 2:03,59 h aufstellte. So bietet sich an der sportlichen Spreemetropole fast immer das gleiche und dennoch immer wieder faszinierende Bild, wenn es international um die absoluten Leckerbissen bei den Spitzenevents der 'langen Kanten" unter den Straßenläufen geht. Gleich ob Halbmarathon, 25-Kilometer-Rennen oder Marathon: Erst nähern sich auf wie zu Zeiten der ölkrise 1973 von Autos leergefegten Hauptstraßen grünweiße Polizeifahrzeuge und gleichfarbige Dienstkräder mit hell aufblitzendem Blaulicht und aufgeblendeten Scheinwerfern, dicht darauf folgt ein smarter Kleinwagen mit dachmontierter elektronischer Zeitnahme und dann, kurz dahinter, huscht, wie von Geisterhand getrieben, eine rund zwanzigköpfige, meinst schwarzhäutige Spitzencrew in einem Affenzahn vorbei, dass einem Normalo mit Tendenz zur Herzinsuffizienz schon vom Hinsehen schwindelig werden kann. Mit stürmischem Start zum Weltrekord Und dann tröpfelt es: Denn dann kommt, je nach Streckenlänge, bei Km 10 so mit ein bis vier Minuten 'Verspätung", wo der Zuschauer unter Bandgetöse beflissen mitjubelt, die zweite Garde der Langstreckenasse, in die sich regelmäßig auch die erste Spitzenfrau einreiht. Rund drei Minuten lief die Kenianerin Mary Keitany am 9. Mai beim Berliner 25-km-Lauf hinter der afrikadominierten Männerphalanx. Dicht an ihrer Seite rannte Robert Krebs vom Sportclub Charlottenburg. Doch der bis dato schnellste Weiße war kein Konkurrent. Schließlich hatte der blonde, erst 20-jährige SCC'er mit der coolen Sonnenbrille auf der Nase einen klaren Auftrag - sollte als Pacemaker für maßgeschneidertes Tempo sorgen, denn Marschrichtung Weltrekord war anvisiert. Anfangs hatte der Tempokümmerer so seine Probleme mit der Rekordaspirantin: 'Den ersten Kilometer lief Mary gleich in 3:05 Minuten an. Viel zu schnell". Doch auf den warnenden Fingerzeig ihres Tempobegleiters hin winkte sie nur ab. Federn musste Keitany deswegen keine lassen, was ihre Topform nur bestätigte. So war Keitany 2009 wohl die ungekrönte Königin des Straßenlaufs, wurde Siegerin bei den Halbmarathon-Weltmeisterschaften in Birmingham und war die weltweit Schnellste bei den Straßenlaufdistanzen über 10 km (31:04 min) und 20 km (62:59 min). Auch beim BIG25 Berlin lief die 28-jährige zu absoluter Hochform auf und passierte den km 10 in 32:09 min. Da war von der durchaus hochkarätigen Konkurrenz, die ausschließlich aus Kenianerinnen bestand, nichts mehr zu sehen. Keitany, die vom Start weg ihr eigenwilliges Renntempo abspulte, verfügte zum Ende des Rennens noch über so beeindruckende Reserven, dass sie die Ziellinie im Berliner Olympiastadion als erste Frau der Welt unter 1:20 h überquerte und den alten Weltrekord damit überdeutlich pulverisierte. Der lag bei 1:22,13 h und wurde 2005 von der Japanerin Mizzuki Noguchi beim Passieren der 25 km-Marke während des Berlin-Marathons aufgestellt. Zweite wurde die Kenialäuferin Alice Timbilli in 1:24,38 h, gefolgt von Pasalia Kipkoech in 1:26,47 h, ebenfalls aus Kenia. Kenia versus äthiopien Noch deutlich schneller ging es in der internationalen Männerkonkurrenz zu, die eigentliche eine schwarzkontinentale war. Kein Wunder, schließlich war hier noch eine innerafrikanische Rechnung zu begleichen, die ebenfalls aus der deutschen Sportmetropole stammte. War es doch Ende März, beim Berliner Halbmarathon, den äthiopiern Eshetu Wondimu (Sieger) und Maregu Zwedie (Dritter) in einem dramatischen Endspurtrennen gelungen, die Speerspitzen von 14 Top-Keniakonkurrenten zu durchdringen. So hegte die Keniaflotte naturgemäß die Absicht die alte Rangordnung wieder herzustellen, allen voran Spitzenläufer Samuel Kosgei. Dabei arrivierte der knallharte Straßenwettkampf vom Topathletenfeld und den Vorleistungen her von Anfang an zum hochklassigsten 25-km-Rennen. Und auch das Wetter spielte mit. Bei Temperaturen zwischen 12 - 14 Grad Celsius und absoluter Windstille ging die Post gleich mit 14:29 min über die 5-km-Marke ab und blieb danach stabil. Mit 43:05 min bei km 15 ging es dann weiter Richtung Weltrekordkurs. Dann war es wieder wie 2009, als BIG25-Organisator Christoph Kopp sich als Sozius eines bayrischen Kraftrads quasi die Lunge aus dem Hals schrie und das beim Halbmarathon-km-Punkt verbliebene Spitzenduo mit Samuel Kosgei und Keniamann Gilbert Kirwa frenetisch anfeuerte es zu tun: 'Das wird der neue Weltrekord". Diesmal sollte der BIG25-Macher Recht behalten. Der 24-jährige Kosgei hatte das größere Stehvermögen und fegte mit phänomenaler Weltrekordzeit von 1:11,50 h übers blaue Kunststoffoval des Berliner Olympiastadions. Auch Kirwa, die Nummer zwei, lief mit 1:11,58 min ein phantastisches Rennen. Dritter wurde der äthiopier Terefe Maregu in 1:13,16 min. Jubiläumshöhepunkte ohne Ende: Doppelweltrekord und schnellstes 25-Rennen aller Zeiten Neben dem bisher einmaligen Doppelweltrekord, blieben 2010 sieben Athleten unter der 1:14-h-Marke. Damit ist der BIG25 - was Leistungsdichte und Topathletenzahl betrifft - nun sporthistorisch die Weltspitze und zum schnellsten 25-km-Rennen aller Zeiten ausgestiegen. Neben der Strahlkraft die erneut auf Laufnation Kenia scheint, dürfte das Event nach insgesamt 750 Laufkilometern bei der 30. Jubiläumsausgabe nun global die aktuelle Leichtathletik-Krone zieren. 1981 auf Initiative der französischen Militärmacht in Berlin mit immerhin 3.250 Läufern begonnen und in Folge 'Franzosenlauf" genannt, reiht sich der BIG25 mit 10.114 Sportlern aus 47 Nationen jetzt nahtlos in die Berliner Spitzensportevents ein. So plant auch Samuel Kosgei seine nächste Laufattacke im deutschen Läufermekka beim Berlin-Marathon und spielt dabei schon mal gedanklich mit der überlegung im Herbst 2010 Haile Gebrselassi zu schlagen. Autor Volker Schubert

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